Das erste Mal - was erwartet mich bei einer Aufstellung und wie läuft sie ab?

Es ist für mich immer wieder spannend und oft ein schönes Erlebnis, eine Aufstellung mit jemandem durchzuführen, der oder die vorher noch keine Erfahrung damit gemacht hat. Für die allermeisten Menschen ohne Vorerfahrung ist es schwierig sich vorzustellen, wie eine Aufstellung abläuft. Einige lesen vorher etwas darüber oder schauen sich ein Video auf YouTube an, häufig bringt dies jedoch nur wenig Klarheit, zumindest meiner Erfahrung nach.

 

Die Aufstellung selbst wird dann in den meisten Fällen als sehr natürlicher und organischer Prozess erlebt und das Phänomen, dass Stellvertreter Gefühle ihnen völlig unbekannter Menschen empfinden, wird nicht mehr in Frage gestellt - die Beteiligten spüren, dass hier etwas "Wahres" geschieht.

 

Eine Aufstellung folgt meistens einem bestimmten Prozess, den ich heute erläutern möchte.

 

Normalerweise wird vor einer Aufstellung mit dem Klienten besprochen, welches Anliegen vorliegt. Es lohnt unbedingt, sich Zeit zu nehmen, um dieses Anliegen herauszuarbeiten, denn oft ist dem Klienten selbst nicht genau klar, worum es ihm oder ihr eigentlich geht. An dieser Stelle gibt es häufig bereits einen "Aha-Effekt", wenn klarer wird, was einen in der Tiefe wirklich bewegt. An diesem Punkt kann mit der Aufstellung begonnen werden, denn nun sind Energie und Kraft da, die für den folgenden Prozess benötigt werden.

 

Den nun folgenden Schritt, also den ersten der eigentlichen Aufstellung, habe ich in den Anfangsjahren meiner Arbeit unterschätzt: Das Aufstellen der beteiligten Elemente (z.B. Personen, Organe, Orte...) im Raum. Was geschieht an dieser Stelle?

 

Wir Menschen haben die Fähigkeit, innere Prozesse im Raum, also im Außen zu verorten. Diese Behauptung kann man sehr leicht bei sich selbst überprüfen. Wenn du dich beispielsweise selber fragen würdest: „Wo im Raum würde jetzt meine Mutter stehen?", bin ich ziemlich sicher, dass du nach einigen Augenblicken des Innehaltens sehr präzise wüsstest, wo sie stehen würde. Auch ohne es rational zu begründen. Und genau diese Fähigkeit, Elemente, die wir im Inneren in uns tragen, nach Außen in den Raum zu bringen, machen wir uns bei der Aufstellungsarbeit zu nutze: Die Person, die das Anliegen hat, positioniert die an der Aufstellung beteiligten Elemente nach seinem bzw. ihrem inneren Bild im Raum.

 

Wenn dies geschehen ist, gibt man den nun im Raum stehenden Elementen Zeit, um ganz anzukommen. Beide - Aufstellungsleiter und die Person mit dem Anliegen - können an diesem Punkt spüren, wie sich die Energiequalität, die Atmosphäre im Raum verändert. An dieser Stelle beginnt ein Prozess, der zumindest meines Wissens nach immer noch nicht wirklich erklärbar ist: Die an der Aufstellung beteiligten Personen beginnen, "fremde" Gefühle zu fühlen und Körperwahrnehmungen zu haben, die sie normalerweise so nicht haben oder auch gar nicht kennen. Und doch bleibt man dabei "man selbst". Ein immer wieder verblüffendes Phänomen, das selbst erfahren werden muss und nicht im Vorwege vermittelt werden kann.

 

In der nächsten Phase begleitet der Aufstellungsleiter achtsam den Prozess, den das System nun vollzieht. Dabei ist der Aufstellungsleiter eher in der Rolle eines Begleiters zu verstehen, der nicht aktiv etwas macht, sondern mit Erlaubnis des jeweiligen Systems einen Veränderungsprozess unterstützt.

 

Diese innere Haltung ist sehr wichtig, denn der Aufstellungsbegleiter steht als zuletzt Dazugekommener immer am Ende der Rangfolge des Systems und verliert sofort an Kraft, wenn er "etwas korrigieren und machen will". Der Begriff der Rangfolge in Systemen verdient einen eigenen Artikel, so dass ich auf diesem Punkt hier nicht näher eingehen möchte.

 

Ist der Prozess vollzogen, kommt die Aufstellung im letzten Teil zu ihrem Ende. Zumindest scheinbar, denn die Bewegung, in die das aufgestellte System während der Aufstellung gekommen ist, geht im „richtigen Leben“ der Person, welche das Anliegen hatte, weiter und entfaltet sich erfahrungsgemäß über Tage, Wochen, Monate und in einigen Fällen sogar über Jahre.

 

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